Sätze, die du sagen kannst, statt dein Kind zu loben?
Aufhören zu loben ist gar nicht so einfach
Gar nicht so einfach, das Loben abzustellen, oder? Besonders, wenn wir das erste mal davon hören, dass es nicht so gut ist, wie wir gedacht haben oder wie wir gelernt haben, stehen wir vor der Frage – ja, was denn dann? Und gerade zu Beginn wird uns immer noch ein Lob entwischen, bevor wir überhaupt drüber nachgedacht haben. Denn es sitzt zu tief verankert in uns, dass wir eine Antwort auf Leistung geben. Wir haben es selbst so erlebt, wir leben in einer Gesellschaft, die Leistung in den Vordergrund stellt und diese bewertet und uns wird erzählt, wie wichtig loben gerade für Kinder sein soll. Deshalb: sei nachsichtig mit dir, wenn es erstmal schwierig ist – und du wirst sehen mit der Zeit wird es immer leichter bis du irgendwann gar nicht mehr darüber nachdenken musst.
Nie wieder „super gemacht“?
Die meisten von uns sind mit „Super“ und „toll“ sozialisiert und es ist tief verankert in uns, dass wir für Leistung auch entsprechende Rückmeldungen bekommen. Kein Wunder, dass uns diese Worte so leicht von der Zunge gehen. Ob das Kind am Töpfchen sitzt, die ersten Schritte geht, ein Bild malt oder auf dem Klettergerüst bis nach oben geklettert ist.
Darf ich mich jetzt denn nicht mehr (mit/ für mein Kind) freuen? Doch! Unbedingt sogar!
Immer wieder fragen mich Eltern auch:
- Was soll ich denn stattdesssen sagen?
- Kann ich mich jetzt nicht mehr mit und für mein Kind freuen?
- Darf ich nicht mehr stolz auf mein Kind sein?
Doch natürlich. All das und noch viel mehr. Wenn wir auftauchen aus unseren automatisch ablaufenden Mustern, wenn wir aufhören etwas zu tun oder zu sagen, weil wir glauben das „man das so macht“, dann erst können wir sehen, was unser Kind uns gerade wirklich sagen oder zeigen will. Dann werden wir unsere Augen bemühen und das Bild wirklich betrachten oder unsere Ohren und das Musikstück, das es uns vorspielt wirklich hören. Dann werden wir unser Kind dabei betrachten und die Freude oder den Stolz in seinen Augen sehen.
Wenn wir aufhören zu loben ist Raum für echte Verbindung – für Interesse – dafür, unseren Kindern wahrlich zuzuhören und sie wahrzunehmen wie sie sind.
Erst, wenn wir aufhören unsere Kinder zu loben fangen wir an sie wirklich ernst zu nehmen.
Nicht loben heißt unsere Kinder wirklich zu sehen und wahrzunehmen
Denn mal ehrlich: wie oft fällt ein „super“ aus unserem Mund, ohne dass wir richtig hinschauen oder wahrnehmen, was unser Kind uns da gerade für ein Kunstwerk zeigt? Wie oft bleiben wir in unserem eigene Film und tauchen gar nicht erst auf? Wir räumen weiter die Spülmaschine aus und sehen kaum auf, wir gucken in unser Handy und denken mit einem super in Verbindung gegangen zu sein. Wie oft rufen wir während einer Unterhaltung zur Rutsche ein schnelles „prima“, ohne mitzukriegen, was genau unser Kind gerade wirklich erlebt? Und ich meine wirklich erlebt.
Nicht eben ein Lob auszusprechen oder rüberzurufen, weil es so verankert in uns ist, sondern erstmal durchzuatmen – uns bewusst Zeit zu nehmen unser Kind und das zu sehen, was es gerade tut. Und dann auf sein Angebot in Kontakt mit uns zu gehen zu reagieren. Denn ein Kind auf der Rutsche möchte nicht gelobt werden für eine Leistung, die es vollbracht hat. Es möchte gesehen werden. Es möchte in Kontakt sein mit uns. Deshalb sollte Lob auch nicht einfach durch eine andere Floskel ersetzt werden, die wir ebenso wenig spüren. Nichtsdestotrotz kann es besonders zu Beginn sehr hilfreich sein, sich Gedanken. zu machen, was mögliche Alternativen sein könnten zum „gut gemacht“ und „ganz toll“.
Ein paar mögliche Alternativen zum Loben und für den Einstieg in echten Kontakt
Hier ein paar Anregungen. Wenn dir noch mehr einfallen, schreib sie in die Kommentare.
- Oh, du bist so weit oben!
- Ja, ich sehe Dich. Du bist ganz da oben.
- Da oben bist du? Bist du ganz allein da hoch geklettert? Ja? Das war bestimmt sehr aufregend.
- Du hast ein Bild gemalt. Ja, ich sehe es.
- So viele schöne, bunte Farben. Du magst es gerne bunt, stimmts?
- Das hat sicher Spaß gemacht (das zu malen/ zu spielen/ da hochzuklettern)
- Was für eine riesige Sandburg. Du hast sicher lang daran gearbeitet.
- War das ein Purzelbaum? Den hast du dir ganz allein beigebracht?
- Überall bunte Streusel. Die sind ziemlich klein, stimmts?
- Ich sehe du hast Bäume gemalt und viele bunte Blumen. Welche magst du am liebsten?
- Das ist ja ein riesiges Straßenbild. Dir fallen immer so tolle Ideen ein. Wie bist du auf diese gekommen?
Wie findest du zu deinem authentischen Kontakt und eigenen Sätzen?
Diese obigen Beispielsätze geben Dir einen Einblick, wie und was mögliche Reaktionen auf das Kontaktangebot deines Kindes ist, wenn du aufhören willst mit schnellem Lob zu reagieren. Sie sind nur eine Idee und ein Anhaltspunkt, wo es hingehen könnnte. Vielleicht passen sie nicht zu dir. Das Ziel ist sowieso nicht vorgefertigte Sätze auszusprechen, sondern die Chance auf Kontakt mit deinem Kind wirklich anzunehmen – und aus dem Moment heraus authentisch und echt darauf zu reagieren. Zu Beginn ist das oft schwierig. Wir haben es einfach nicht gelernt und auch nicht selbst erlebt. Die Umwelt bietet auch kaum role models für uns an, an denen wir dies erleben. Also fühlen sich Sätze anfangs möglicherweise noch holprig an, wenn du sie aussprichst. Ich möchte dich aber ermutigen, es trotzdem zu probieren. Je häufiger du diese oder deine eigenen Reaktionen jenseits vom Loben aktiv nutzt, umso geläufiger werden sie sich für dich anfühlen. Und irgendwann kannst du dich nicht mehr erinnern, dass du es jemals anders gehandhabt hast.
Im Folgenden erkläre ich dir, wie du zu deinen eigenen Worten finden kannst – vielleicht fühlen sie sich besser und stimmiger an. Doch auch hier gilt. Wenn du es nicht gewohnt bist, wird es sich erstmal „anders“ und „ungewohnt“ anfühlen – gib Dir also Zeit. Nimm wahr, wie dein Kind reagiert und ich bin sicher du wirst es lohnend finden es weiter zu probieren.
1. Entscheide Dich für den Kontakt und beschreibe, was du wahrnimmst!
Das allererste, was du tun kannst ist einen Moment innezuhalten. Diesen Moment nutzt du um dich zu entscheiden deinem Kind diese Zeit zu widmen. Wenn du das nicht möchtest, weil du gerade mitten in einer Aufgabe steckst, dann ist das auch eine Entscheidung, die du deinem Kind mitteilen kannst. „ich mache in 5 min eine Pause dann schau ich mir dein Bild an“.
Sei dir bewusst: Je kleiner die Kinder desto weniger gut können sie warten und die Aufnahme von Kontakt ist ein Grundbedürfnis wie nach Nahrung. Gleichzeitig tust du weder ihnen noch dir einen Gefallen, wenn du dich gezwungen fühlst und in Gedanken gar nicht bei ihnen, sondern noch bei dem, was du eigentlich tun wolltest.
Eine gute Hilfe, um die richtigen Worte für dich zu finden ist es erstmal zu beschreiben. was du wahrnimmst oder was du siehst. Keine Interpreationen, keine Wertungen. (Bei Bildern also nicht interpretieren oder fragen „was soll das denn sein“?) Das ist etwas gewöhnungsbedürftig aber enorm wichtig.
„Du hast ein Bild gemalt.“ oder „Du stehst auf dem Tisch.“ oder „Du bist mit dem Roller den ganzen Berg runtergerollert“. Auch „ich sehe viele Farben“ oder „Oh, Da liegen ja ganz viele Kuscheltiere unterm Tisch“
Warte ab, wie dein Kind reagiert und was es dir antwortet. Wenn Du eine Bestätigung auf deine Aussage und damit deine Wahrnehmung bekommst bist du auf dem richtigen Weg. 🙂 Und wenn nicht, dann ist das auch kein Beinbruch – in dem Fall wird dein Kind dich entweder sowieso verbessern oder du frägst nach, ob es dir erklären möchte, was es getan oder gemacht hat. Bleib einfach interessiert und im Kontakt.
2. Frage nach, wie das Erleben deines Kindes ist oder würdige sein Erleben!
Und dann kannst du auch herausfinden, wie das Kind seine Situation wahrnimmt oder erlebt. Wie es war das Bild zu malen oder den Berg hinunterzusausen. Was es dabei fühlt und wie es ihm damit geht. So gehst du in echten Kontakt. Es geht darum, ehrliches Interesse zu zeigen und wirklich wissen zu wollen, was in deinem Kind vorgeht.
Die Kunst an dieser Stelle bei der Formulierung ist dies zu tun ohne zwanzig Fragen hintereinander zu stellen. Fragen beantworten ist schwierig für Kinder. Je kleiner sie sind, umso mehr. Und je größer sie werden, umso mehr haben sie vielleicht gelernt, dass sich Fragen nach „ausgefragt werden“ oder „rechtfertigen“ anfühlt, weshalb sie hier dichtmachen.
Das Gute ist: du hast dein Kind beobachtet und kannst ihm etwas – nämlich deine Wahrnehmung – anbieten. Es wird dir antworten, ob du damit richtig liegst. Auf die Art würdigst du gleichzeitig das Erleben deines Kindes.
Würdigen bedeutet nicht etwas zu bewerten – Würdigung gibt es nicht für gute Leistungen sondern für das, was im anderen vorgeht.
Das ehrliche Interesse am Erleben deines Kindes könnte sich zum Beispiel so anhören.
- „Das war bestimmt aufregend“,
- „hat das im Bauch gekitzelt, als du so schnell gefahren bist?“,
- „du hast ganz viel rot und grün benutzt. Die Farben magst du bestimmt besonders gern.“,
- „magst du mir etwas dazu erzählen, wie du das gemalt hast oder wie du darauf gekommen bist?“
3. Denk daran: Dein Kind möchte gerade etwas mit dem Menschen teilen, den es liebt: mit dir!
Dein Kind hat gerade etwas getan, was es mit dir teilen will. Es will kein „super“ – es will spüren, dass du es siehst. Dass du siehst, was es gerade getan oder geschaffen oder geschafft hat. Es möchte nicht seine Leistung bewertet – es möchte in seinen Gefühlen, die es dabei hat, wahrgenommen sein. Und es möchte seine Freude und seinen Stolz teilen – mit einem Menschen, den es von Herzen liebt: mit Dir.
Und der schönste Liebesbeweis, den du ihm geben kannst, ist nicht eine Bewertung, sondern aufrichtiges Interesse. An dieser Stelle kannst du selbstverständlich auch deine Gefühle ausdrücken. Also wenn du vor Stolz und Dankbarkeit platzt, dann brauchst du das nicht zurückhalten und umständlich versuchen das wegzuformulieren. Mit der Zeit wirst du deine Freude ausdrücken – ohne die Leistung zu bewerten – sondern du sprichst dann von dir und deinem Erleben und deinen Gefühlen. Ein „Ich freu mich so“ oder „Das finde ich ganz toll“ oder auch ein „wunderschön“ darf da genauso da sein, wie dein Stolz, deine Freude, dein Glück. Sie sind sogar unbedingt erwünscht. Nicht zu loben heißt nicht, Gefühle nicht ausdrücken zu dürfen. Nicht zu loben heißt nur dein Kind nicht für Leistung zu bewerten, sondern dich mit ihm gemeinsam am Leben und Erleben zu freuen.
Ich hoffe mein Artikel konnte dir etwas helfen. Ich wünsche dir wundervoll verbindende und glückliche Momente mit deinem Kind!
Du willst mehr wissen?
Wenn du mehr darüber erfahren willst, was es mit dem Loben genau auf sich hat und warum ich hier überhaupt nach Alternativen gesucht habe, dann sei gespannt auf die nächsten Beiträge, in denen ich mich diesem Thema noch näher annehmen werde. Um nichts zu verpassen trag dich am Besten in meinen Newsletter ein.
Über mich
Als systemische und bindungsorientierte Familienberaterin, sowie als Still- und Babyschlafberaterin begleite ich seit vielen Jahren Menschen auf ihrem Weg zu einem friedlichen und wertschätzenden Umgang mit sich selbst und den großen und kleinen Menschen um sich herum. Für ein Familienleben, in dem sich kein Familienmitglied verloren fühlt stehe ich an der Seite von Eltern, die es anders machen wollen. Ich helfe dir aus alten Mustern auszusteigen und dich selbst und dein Kind besser kennenzulernen. Seit 2021 bin ich zudem Heilpraktikerin für Psychotherapie mit den Schwerpunkten Burnout, Trauer und Trauma. Mit dem Thema Trauma beschäftige ich mit bereits seit über zehn Jahren intensiv und habe mehrere körperorientierte Ausbildungen für die Arbeit mit Kindern und Erwachsenen absolviert.
0 Kommentare